Trading bezeichnet das Ausnutzen kurzfristiger Kursschwankungen durch häufige Käufe und Verkäufe von Wertpapieren, z.B. Aktien oder auch Währungen. Doch sind diese Strategien erfolgreich? Kann man davon leben?
Diverse "Gurus" im Internet versprechen das Blaue vom Himmel: reich werden in drei Monaten, Zehntausende von Franken/ Euros einfach am PC daheim verdienen. Dazu möge man bitte diesen Online-Kurs kaufen, jenes Seminar besuchen oder folgender Whatsapp-Gruppe beitreten - und schon segeln die "richtigen" Handlungsempfehlungen aufs Display bzw. den Bildschirm.
Nun, wenn es denn so einfach wäre, dürften sich die Ferraris in den Garagen stapeln und mein geliebter Zürisee wäre voller Luxusyachten - weit gefehlt.
Die Realität sieht etwas anders aus:
1. 85% aller Daytrader erleiden auf Jahresbasis nur Verluste
Dazu gibt es zahlreiche Studien, exemplarisch sei eine breit angelegte Studie aus Kalifornien und China genannt, welche akribisch das Handeln an der Börse in Taiwan untersuchte. Die Zusammenfassung ist nüchtern:
"In aggregate and on average, trading is hazardous to one’s wealth [...] Some traders are consistently dismal stock pickers; for a select few, trading proves to be a profitable endeavor."
Barber, Brad M. et al. (2011) "The Cross-Section of Speculator Skill
Evidence from Day Trading", University of California, Davies
Andere Studien zeigen auf, dass sogar nur weniger als 1% der Daytrader wirklich profitabel wirtschaften. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hat es in 2020 mal schön zusammengefasst (Link).
2. Auch beim Devisenmarkt ist es übel: 89% aller Trader haben Geld verloren.
Zu diesem Schluss kommt eine französische Studie, welche über vier Jahre, von 2009 bis 2012, die Performance von Währungshändlern bei verschiedenen Brokern untersuchte. Das Verrückte dabei: laut der Studie macht es kaum einen Unterschied, ob Neulinge oder erfahrene Trader am Werk waren - der Lerneffekt war erstaunlich gering oder anders: Amateure und Profis war gleich unterirdisch schlecht!
Andere Autoren gehen sogar noch weiter und zweifeln generell den Nutzen der Charttechnik an. Zum Hintergrund: Trader orientieren sich in der Regel an handelstechnischen Signalen und nicht an der fundamentalen Analyse von Aktien. Man versucht also, aus der vergangenen Kursentwicklung eine Prognose über den zukünftigen Kurs zu stellen - offensichtlich klappt das aber nur in der eigenen Wahrnehmung:
"Keine einzige, seriöse wissenschaftliche Untersuchung, die ich gelesen habe, kommt zum Schluss, dass die Charttechnik funktioniert."
Hotz, Pirmin (2021) "Über die Gier, die Angst und den Herdentrieb der Anleger“ Finanzbuchverlag (Rezension hier)
Zusammenfassend kann man also festhalten, dass Trading für die breite Masse der Anleger nicht funktioniert. Nur wenige Profis schaffen es, längerfristigen und nachhaltigen Erfolg als Trader zu erzielen - und das nur nach Jahrzehnten harter Arbeit, Rückschlägen und viel Schweiss und Tränen.
Nur warum findet man dennoch so viele Angebote im Internet? Und warum beschäftigen die grossen Banken ein ganzes Heer an teuren technischen Analysten?
Nun, die Broker, Banken und Trading-Coaches verdienen prächtig dabei! Die grossen Banken wollen mit Ihren Kunden Geld verdienen, ein grosses Research-Team steht für Kompetenz und die Bankberater haben wieder einen guten Grund, Ihre Kunden anzurufen: "Herr Kägi, die Aktie von XY hat gestern eine wichtige Widerstandslinie nach unten durchbrochen, das ist ein klares Verkaufssignal! Ich rate Ihnen die Position aufzulösen und den Erlös in unser brandneues Multiple Barrier Reverse Convertible-Produkt zu stecken".
Mehr Interessenkonflikt geht nicht und daher empfehle ich, bei allen finanziellen Entscheidungen immer klar zu überlegen, wem nützt es - cui bono?
Abschliessend sei als Denkanstoss noch erwähnt: weder die goldene Bilanz-Ausgabe mit den 300 reichsten Schweizern, noch die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt wird von Tradern dominiert. Auf den Top-Positionen stehen Unternehmer und langfristig denkende Investoren wie Warren Buffett, Bill Gates oder Elon Musk. Und falls sich doch einmal ein Hedgefond-Manager darauf befindet, ist es eher die Ausnahme, nicht die Regel :)
Herzlich, Dein Finanz-Uhu
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